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Am Rathaus
45468 Mülheim an der Ruhr

Schloss Styrum

Moritzstrasse 102, 45476 Mülheim an der Ruhr, 51° 26' 37.572" N, 6° 51' 21.816" O. Hier findet sich das Schloss Styrum im gleichnamigen Stadtteil, den sich Mülheim und Oberhausen seit dem 1. April 1910 teilen. Auf der südlichen Mülheimer Seite als Oberstyrum bekannt, wird dieser Ortsteil erstmals um das Jahr 1000 unter dem Namen Stiarhem urkundlich erwähnt. Der Name des Stadtteils und auch des auch des Schlosses könnte möglicherweise daher stammen, dass die Ruhr, die sich wie alle ander Flüsse noch sich selbst überlassen ist, zu dieser Zeit an dieser Stelle durch stetige Veränderung des Flussbettes eine scharfe Kurve oder Kehre macht und die Schiffer den Befehl Stür (Steuer) um ausgeben. Eine Sage, die wie alle anderen auch vielleicht ein Körnchen Wahrheit beinhaltet …

Erwähnt wird Schloss Styrum erstmals 1067 in einer Schenkungsurkunde, die diese ländliche Grafschaft mit Gehöften und Gebäuden dem Stift Kaiserswerth überantwortet. Entstanden sein könnte das Schloss aus einem um 800 erwähnten Oberhof. Ein Oberhof ist eine Bezeichnung für den Haupthof einer mittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Villikation. Kern einer Villikation ist ein Herrenhof (Fronhof) mit einem umfangreichen selbst bewirtschafteten Landbesitz. Um diesen Fronhof gruppieren sich kleinere Bauernstellen (Hufen), die vom Grundherren ausgegeben und von den Bauern selbst bewirtschaftet werden. Die Entwicklung dieser Grundherrschaft findet im 7. Jahrhundert statt und ist ursprünglich vor allem in den zentralen Gebieten des fränkischen Reiches verbreitet.

Schloss Styrum um 1850Schloss Styrum um 1850

König Heinrich IV, geboren 1050 (vermutlich in Goslar), ist der Sohn von Kaiser Heinrich III und ab 1056 römisch-deutscher Kaiser. Berühmt bis heute und in eine deutsche Redewendung übernommen ist der bekannte Gang nach Canossa, einer Burg, gebaut im 10. Jahrhundert am Rand des Appenins in Italien, zwischen Bologna und Parma. Im Februar 1076 exkommuniziert Papst Gregor VII Heinrich und setzt ihn zudem als König ab, lässt aber eine Hintertür zur Buße bis zum August des Jahres offen. Heinrich begibt sich daraufhin auf einen beschwerlichen Weg über die Alpen, um in eben jener Burg Abbitte zu leisten und den Bund mit der Kirche wieder herzustellen. Er ist es, der das spätere Schloss Styrum neun Jahre zuvor an das Reichsstift Kaiserswerth verschenkt hat.

Als Reichsstift bezeichnet man kirchliche Gebiete und Liegenschaften, die keiner anderen Herrschaft (einem Grafen, Fürsten etc.) unterstehen, sondern direkt und unmittelbar dem Kaiser untergeben sind. Gegründet wird das Stift um 695 und resultiert ebenso wie das Schloss Styrum aus einer Schenkung. Plektrud, die Ehefrau des fränkischen Hausmeiers Pippin des Mittleren (Regierungszeit 679-714) sowie die Gründerin der Kölner Kirche St. Maria im Kapitol, überantwortet die Rheininsel dem angelsächsischen und später von der katholischen Kirche Heilig gesprochenen Missionar Suitbert, der auf dieser ein Mönchskloster mit der Stiftskirche St. Suitbertus gründet. Er zieht sich dorthin zurück und stirbt 713. Seinen Besitz übergibt er an seine Erben. König Ludwig der III (der Jüngere) stellt die Abtei 877 dann unter Königsschutz. Aufgehoben wird das Stift 1803.

1289 lässt Graf Dietrich von Altena-Isenberg mit seinem Sohn Eberhard I ein erstes Burghaus errichten, welches aber wohl aufgrund der vorgenommenen Baumaßnahmen hauptsächlich der Unterkunft und weniger der Repräsentation dient. Die gräfliche Familie gehört 1288 in der Schlacht von Worringen zu den Verlierern und muss deshalb von ihrem Stammsitz, der Limburg an der Lenne, vor den anrückenden Truppen der Gewinner nach Styrum fliehen. Dieser Schlacht geht ein Erbfolgekrieg voraus; Hauptkontrahenten des Konflikts sind Herzog Johann der I von Brabant und Siegfried von Westerburg (Erzbischof zu Köln), an dessen Seite Graf Dietrich kämpft. Am 5. Juni 1288 kommt es nach mehrtägiger Belagerung der Burg Worringen zum Unausweichlichen. Zu diesem Zeitpunkt sind alle beteiligten Parteien an den Rand ihrer Belastbarkeit gelangt. In einer mehrstündigen und blutigen Schlacht mit geschätzt mehr als 1.800 Toten verliert der Erzbischof einen großen Teil seiner Truppen und bietet Gottfried von Brabant seine Kapitulation an. Er wird schließlich als Gefangener von dem Grafen von Berg im Schloss Burg an der Wupper gefangen gehalten und nur gegen ein beachtliches Lösegeld und dem Abschluss eines Sühnevertrages wieder freigelassen. Diejenigen Truppen, die in der Schlacht nicht gefallen sind, unterstellen sich dem neuen Dompropst von Köln, Konrad von Berg, oder fliehen, wie es im Fall der Grafen von Altena-Isenburg der Fall ist.

Schloss StyrumSchloss Styrum

Dietrichs jüngerer Sohn Johann erhält Styrum bei einer Erbteilung nach 1301 und begründet den Familienzweig Limburg-Styrum, zu dessen Stammsitz sich die kleine Anlage in den folgenden Jahren entwickelt und es auch bis zum Tode des letzten Grafen von Limburg-Styrum, Ernst Maria, 1809 bleibt. Es folgen langwierige Erbschaftsauseinandersetzungen, in deren Folge das Schloss mehrfach den Besitzer wechselt.

Sein heutiges Aussehen und die Tatsache, dass Schloss Styrum noch erhalten ist, verdankt das Gebäude dem 1842 in Eschweiler geborenen Sohn eines Unternehmers. Dieser Unternehmer ist gezwungen, nach dem frühen Tod seines Vaters die Schulausbildung abzubrechen und bei seinem Onkel in die Banklehre zu gehen. Ab 1834 leitet er als Direktor und Miteigentümer das erste Drahtwalzwerk des Rheinlands, die 1822 in Eschweiler gegründete „Draht-Fabrik-Compagnie", bevor er eine Privatbank gründet. Er hat drei Söhne. Sein ältester Sohn heißt August. Ihm leiht er 8.000 Preußische Taler zur Gründung eines Bandeisenwalzwerkes in Duisburg. Er tut dies zusammen mit seinem belgischen Schwager, Désiré Bicheroux und dem belgischen Walzwerkspezialisten Noel Fossoul und nennt die Firma „Thyssen-Fossoul & Co“. Der Industrielle August Thyssen beginnt an diesem Tage im Alter von 25 Jahren seine unternehmerische Tätigkeit und wird sein Imperium im Laufe der nächsten 60 Jahre zu einem weltumspannenden und berühmten Konzern ausbauen.

Bereits vier Jahre später, im Jahr 1871, löst er das Vertragsverhältnis und steigt aus der Firma aus. Durch die Hochzeit mit der Mülheimer Unternehmertochter Hedwig Pelzer und der sich daraus ergebenden Mitgift, seinem ausbezahlten Kapital aus der Firma und dem Kommanditanteil seines Vaters hat er das nötige Geld zur Verfügung, um den Grundstein seines späteren Imperiums zu legen. Am 1. April 1871 gründet er in Styrum sein eigenes Bandeisenwalzwerk Thyssen & Co. und bereits am 2. Oktober desselben Jahres kann die Produktion mit 95 Mitarbeitern aufgenommen werden.

1890 erwirbt der Fabrikant für rund 100.000 Goldmark das Schloss Styrum, weniger wegen des Gebäudes, sondern vielmehr wegen der damit verbundenen Ländereien. Es ist der größte Grundbesitz in Styrum: Bauland, das Thyssen sowohl für neue Fabrikhallen als auch zur Unterbringung seiner zahlreichen von auswärts zuziehenden Arbeiter benötigt.

Das Schloss ist zu diesem Zeitpunkt in einem desolaten Zustand. Nach dem Tod des letzen Grafen von Limburg-Styrum wird das Anwesen an eine in Nürnberg lebende Gräfin vermacht; das Interesse der gräflichen Familie an Schloß Styrum ist jedoch äußerst gering und entsprechend wenig wird in Unterhalt und Reparaturen investiert. Als 1861 der Großgrundbesitzer Johann Schönnenbeck durch Verkauf und Erbschaften in den Besitz gelangt, wandelt er das Schloss und die dazu gehörigen Ländereien in einen landwirtschaftlichen Betrieb um, was den Erhaltungszustand des Gebäudes nicht gerade verbessert.

August Thyssen hat zunächst kein Interesse, dieses Gebäude selbst zu beziehen. Trotzdem lässt er das Schloss aufwendig restaurieren und umbauen, um einen Wohn- und Amtssitz für seine Generaldirektoren zu haben. So verdanken die Mülheimer ihm den im englischen Stil angelegten Schlosspark, an dessen Stelle zuvor Wirtschaftsgebäude standen. Des weiteren verlegt er den Haupteingang auf die Nordseite, zur heutigen Moritzstraße, die Kapelle verwandelt er in ein Wirtschaftsgebäude für Fahrzeuge und Gerätschaften, den mittleren Schlossteil paßt er in der Höhe dem westlichen Querbau an und versieht ihn mit einer modernen Fassade und neuen Fenstern. Da Schloß Styrum erst 1986 unter Denkmalschutz gestellt wird, kann der Unternehmer die Ideen seiner Architekten frei umsetzen.

Schließlich entscheidet sich Thyssen nun doch, vorübergehend einzuziehen, während er sein Anwesen in Ratingen Landsberg renoviert und wenig später mit seiner Familie dort hinzieht. Schloß Styrum wird also nun so genutzt, wie der Stahlbaron es ursprünglich vorgesehen hat: als Wohn- und Amtssitz seiner Führungspersönlichkeiten. 32 Jahre nach seinem Tod zieht die Witwe des letzten Generaldirektors Wilhelm Roelen, der im selben Jahr stirbt, aus. Schloss Styrum steht nun leer.

Schloss Styrum 1961Schloss Styrum 1961

Und wieder ist es ein Geschenk, welches ein neues Kapital in der Geschichte des Bauwerkes einläutet. Es ist ein Geschenk der Eigentümer, die Thyssenschen Gas- und Wasserwerke. Am 2. Juni 1959 übergibt Baron Heinrich von Thyssen-Bornemisza (geb. am 1921 in Scheveningen, Den Haag, Niederlande: Hans Heinrich „Heini“ Àgost Gábor Tasso Baron Thyssen-Bornemisza de Kászon) Enkel von August Thyssen und Aufsichtsratsvorsitzender des Unternehmens, das Schloss an die Stadt Mülheim. Die Tatsache, dass in diesem Schloss auch Deutschlands erste Altentagesstätte eingerichtet wird, ist dem Umstand geschuldet, das eben jener Baron dies zur Auflage der Schenkung macht. Die Stadt akzeptiert und Schloss Styrum blickt dem nächsten Jahrtausend entgegen.

Quellen: