Die Ruhr
Ungefähr drei Kilometer von Winterberg entspringt sie: die Ruhr.
Sie wird zudem von etlichen Nebenflüssen und zahlreichen Bächen gespeist.
Was als kleines Rinnsal beginnt, wird erst zum Bach und dann zum Fluss, der schließlich durch unsere Stadt fließt. Die Ruhr ist 219 km lang und mündet in Duisburg-Ruhrort in den Rhein, dabei überwindet sie über 650 Höhenmeter.
Ursprünglich war die Ruhr ein gewundener, schnell fließender, sauberer Fluss mit vielen Stromschnellen, Seitenarmen und ausgedehnten Kiesinseln. Flache Uferbereiche wechselten mit Steilufern ab, diese wurden von Uferschwalben und Eisvögeln bewohnt. Das Flussbett war extrem flach, aber sehr viel breiter als heute.
Ruhrtal zwischen Ickten und Menden um 1790Die Wassermengen der Ruhr schwankten extrem: Im Herbst, Winter und Frühjahr gab es starke Hochwasser, die wochenlang die ganze Aue überschwemmt hielten und zu häufigen Verlegungen des Flusslaufes führten. In den Sommermonaten sank die Wassermenge so stark, dass der Fluss ein kleines Rinnsal wurde.
Bäche und Flussarme wurden durch die Strömung und durch die Bautätigkeit von Bibern permanent umgestaltet. Die Flussufer waren mit Silberweiden, Schwarzerlen und Lianen zugewuchert. Fischotter, Graureiher und Kormorane fanden reiche Nahrung an Äschen, Barben, Lachsen und Bachneunaugen.
Schon im Mittelalter wurde die Kraft, die in der Wasserströmung der Ruhr steckt, genutzt. Am Fluss und den ihn speisenden Bächen entstanden zahlreiche Wassermühlen, die verschiedensten Zwecken dienten, z. B. dem Mahlen von Getreide, dem Sägen von Holz oder dem Walken von Tuch. Eine besonders prägende Ansammlung dieser Mühlen scheint es in dem Gebiet unserer Stadt gegeben zu haben, denn der Name „Muilenheim“ wurde schon Ende des 11. Jahrhunderts urkundlich erwähnt und wurde zu dem Stadtnamen Mülheim.
Vor der Eisenbahn war die Ruhr ein wichtiger Verkehrsweg, der sowohl zum Transport von Waren ins Inland, als auch für Reisen genutzt wurde. So war die Ruhr im 19. Jahrhundert eine der meistbefahrenen Wasserstraßen in Deutschland.
Flussaufwärts, gegen die Strömung, geschah dies auch mit Kähnen, die von kräftigen Pferden gezogen wurden. Diese Pferde liefen auf Wegen, direkt an der Ruhr entlang, und zogen die Boote an starken Seilen bzw. Leinen. Den sogenannten Leinpfad nutzen heute Fußgängern und Radfahrer. Güterverkehr findet heute nur noch vom Rhein bis Mülheim statt, weiter flussaufwärts wird die Ruhr noch für die Personenschifffahrt und den Wassersport genutzt.
Mintard 1965Während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert leiteten Industriebetriebe, die sich entlang der Ruhr vielfach angesiedelt hatten, Landwirtschaft und der Bergbau ihre Abwässer in den Fluss. Diese Abwässer wurden entweder gar nicht oder nur mechanisch gereinigt.
Durch geringe Niederschläge sowie die Wasserentnahme der Städte und der Industrie sank der Wasserstand der Ruhr zeitweise extrem ab.
Der Biologie August Thienemann befuhr im Sommer 1911 die Ruhr von Freienohl bis Duisburg. Er beschrieb den Fluss folgendermaßen:
„Während der Hitzeperiode 1911 wurde aus dem Wasser der unteren Ruhr allmählich eine mit Chemikalien aller Art gesättigte Brühe, in der kein Fisch mehr leben, von der kein Tier mehr trinken konnte und aus deren Nähe jeder Mensch mit normalem Geruchsempfinden möglichst wich: mit dem Namen „Flusswasser“ konnte diese Lauge nicht mehr bezeichnet werden. Und doch waren die Waserwerke im unteren Ruhrtale auf das von diesem „Ruhrwasser“ gespeiste sogenannte Grundwasser des Ruhrtales angewiesen!“
(Entnommen aus: Eiden: Wasserwirtschaft und Industrialisierung im Ruhrgebiet 1997, Seite 109)
Nach extremen Trockenjahren wurde in den 1930er-Jahren mit dem Bau einer Kette von Rückpumpwerken begonnen. Diese sollten gewährleisten, dass der Fluss auch in niederschlagsarmen Zeiten ausreichend Wasser führt. Im Notfall konnte die Ruhr also vom Rhein bis Essen-Steele-Horst über 40 Meter Höhenunterschied rückwärts fließen und so die Trinkwasserversorgung des Ruhrgebietes sicherstellen.
Heute ist ein naturnaher Zustand allenfalls noch an kleinen Abschnitten in den Oberläufen der Ruhrzuflüsse vorhanden. Talsperren im Sauerland verhindern extreme Niedrig- oder Hochwasserstände. Die Ruhr ist heute in einem stark befestigten, tiefen und schmalen Bett festgelegt. Die Auen werden überwiegend für die Trinkwassergewinnung und durch die Landwirtschaft genutzt. Von den artenreichen Auenwäldern sind nur noch spärliche Reste vorhanden.
Talsperren und Stauseen, Wasserkraftwerke, Schleusenanlagen und Wehre stauen das Wasser in vielen Abschnitten des Flusses auf. In der Folge wurden die ursprünglichen Lebensgemeinschaften, die an sauberes und schnell fließendes Wasser angepasst waren, durch Lebensgemeinschaften der Stillgewässer ersetzt.
Etwa fünf Millionen Menschen werden heute aus der Ruhr mit Trinkwasser versorgt. Rund 67 Kläranlagen leiten gereinigte häusliche und gewerbliche Abwässer der im Einzugsgebiet liegenden Städte und Gemeinden der Ruhr und ihren Zuflüssen zu.
Die Ruhr im WinterZukunftsvisionen:
Träume und Visionen von einer naturnahen Landschaft, in der eine tolerante Gesellschaft die Rückkehr von ausgerotteten Arten erlaubt:
Im Auwald in Kocks Loch hat sich eine Biberfamilie angesiedelt. Diese beginnt, die seit Jahrzehnten dort lebenden Nutrias (Neubürger) zu verdrängen. An flachen Teichen in der Saarner Aue können Laubfrösche auf den Blättern von Büschen und Bäumen beim Sonnen beobachtet werden.
In der Fischtreppe des Wasserkraftwerkes Kahlenberg wurden über 100 erwachsene Lachse auf ihrem Weg zu den Laichplätzen im Sauerland registriert. Optimal gebaute Fischtreppen ermöglichen nicht nur den Lachsen und Aalen, sondern auch den selten gewordenen Neunaugen ihre Laichwanderungen.
In vielen Bereichen der Ruhraue wächst ein undurchdringlicher Auenwald aus Schwarzerlen, Silberweiden, Eschen, und Lianen. Hier wurden an einem Altarm Fußspuren der scheuen Fischotter entdeckt.
Das Baden in der Ruhr ist an vielen alten Badestellen wie z. B am Ruhrstrand an der Mendener Brücke und im Freibad Baldeney wieder erlaubt: Die Abwasserreinigung wurde so optimiert, dass alle Nährstoffe, Bakterien und Viren zurückgehalten werden. Algenblüte und Fischsterben gehören schon lange der Vergangenheit an. Im glasklaren, schnell fließenden Wasser leben Steinfliegenlarven, Dreieckskopfstrudelwürmer und Flussperlmuscheln.
In vielen Bereichen wurde die Uferbefestigung entfernt, naturnahe, flache Sand- und Kiesufer laden zum Planschen ein und bieten neuen Lebensraum. An Steilufern brüten Uferschwalben. In den dichten Wäldern des Sauerlandes streifen einzelne Wildkatzen und ein Wolfsrudel umher.
Quellen:
- www.stadtarchiv-mh.de
- Kaufhold Barbara: „Leben am Fluss – Mülheim an der Ruhr“, Klartext Verlag 2011
- www.haus-ruhrnatur.de
- Brockhaus Enzyklopädie, Mannheim: Brockhaus Verlag 1989