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Am Rathaus
45468 Mülheim an der Ruhr

Schloss Broich

Das Schloss Broich wird vermutlich im Jahre 883/ 884 erbaut. Es gilt als die besterhaltene karolingische Befestigungsanlage nördlich der Alpen und wird eingefaßt von einer ovalen Ringmauer. Seinen Namen bekommt es von den Edelherren von Broich, die diese verfallene Wehranlage im 11. Jahrhundert wieder auf- und ausbauen.

Aber warum wird diese, ohne Küche, Speicher oder Brunnen geplante Befestigungsanlage überhaupt errichtet? Wer ist der Mann, der ein solides Militärquartier an einer Furt über die Ruhr bauen läßt? Und was hat Alfred der Große von England mit dem Bau von Schloss Broich zu tun? Um diese Fragen beantworten zu können und die Bedeutung der Anlage und des Mannes verstehen zu können, der diese erbaut, reisen wir zurück in das Jahr 848 nach Oxfordshire ...

Alfred der Große, geboren 848, König von Wessex ab 871 und ab 886 bis zu seinem Tode im Jahre 899 König von Angelsachen, versucht Zeit seines Lebens, die einzelnen Königreiche des heutigen Großbritanniens Cornwall, Wessex, Mercia, Ostanglien und Northumbriens zu einem einzigen Königreich mit dem Namen „Englaland“ zusammenzuführen. Seine besondere Leistung besteht unter andern darin, die Grundlagen für eine Vereinigung der angelsächsischen Königreiche geschaffen und die Literatur und altenglische Sprache gefördert, sondern sich auch erfolgreich gegen eine Herrschaft der ab 866 auf der Insel einfallenden Wikinger dänischer Abstammung unter der Führung von König Ivarr zu behauptet zu haben.

Schloß Broich um 1880Schloß Broich um 1880

Innerhalb weniger Jahre ist es den Wikingern unter der Führung verschiedener dänischer Stammesführer und Kriegsherren gelungen, große Teile des heutigen Englands zu erobern, zu besetzen und durch Raubzüge in das Landesinnere in die Knie zu zwingen. 870/ 871 wenden sich die Dänen Wessex zu, dem zu diesem Zeitpunkt letzten noch intakten angelsächsischen Königreich, in dessen Sümpfe sich Alfred mit seinem Bruder Æthelred, der zu diesem Zeitpunkt König von Wessex ist, und Teilen seiner Leibgarde zurückgezogen hat. 871 stirbt Æthelred und trotz der Tatsache, das dieser zwei Söhne hinterläßt, wird sein Bruder Alfred zum neuen König ernannt. Noch im Laufe des Jahres erleidet Alfred drei empfindliche Niederlagen gegen die Dänen. Trotzdem ziehen sie sich aus Wessex zurück; sicherlich der Tatsache geschuldet, dass sie durchaus zufrieden mit den Raubzügen sind und davon ausgehen, dass vom König keine Gefahr mehr ausgeht. Die folgenden Jahre scheinen Wessex an den Rand des Abgrunds zu bringen, während in den anderen angelsächsischen Reichen bereits die Dänen herrschen. Es kommt immer wieder zu Gefechten, wobei Alfred angeblich selbst beinahe in Gefangenschaft gerät. Alfred muss schließlich nach Athelny fliehen, wo er Truppen sammelt und ein Heer zusammenstellt. 878 geht er zum Angriff über und kann den Dänen bei Edington eine empfindliche Niederlage zufügen. Sein geschlagener Gegner, König Guthrum, lässt sich daraufhin taufen und zieht sich in sein Königreich Ostanglien zurück. Die große Krisenzeit ist zumindest für Wessex überwunden und die Dänen wenden sie dem Festland Europas zu.

Bereits im Jahre 810 dringt der Dänenkönig Gudröd in Friesland ein, 819/ 820 setzen sich die Wikinger an der Loire-Mündung auf der Insel Noirmoutier fest, ehe sie 843 in Nantes ein Winterquartier beziehen und 845 Paris erstmalig belagern und nur gegen ein beachtliches Lösegeld wieder freigeben. Im selben Jahr ist ein Überfall auf Hamburg belegt. Die Rheinlande und somit das Kernland des Frankenreiches sind zu der Zeit davon jedoch nur selten betroffen.

Die Wikinger sind hervorragende Schiffsbaumeister, deren Boote zu damaliger Zeit an Qualität aufgrund der Bauweise, Tiefgang, Schnelligkeit und Wendigkeit unübertroffen sind. Für den Warenaustausch und Handel nutzen sie dickbäuchige Handels- und Lastschiffe, Knorren, wie die Isländer sie nennen. Daneben entwickeln sie die berühmten Langschiffe, die besonders wegen ihrer reichen Stevenverzierungen mit Schlangen- und Drachenköpfen ins Auge fallen. Die Langboote sind schnelle, leichte und wendige Kriegs- oder Kampfschiffe, mit denen die Wikinger auf Raubzüge gehen. Versehen mit Kiel und vernieteten Planken, mit ausgesteiften Bootsrümpfen, in der typischen Klinker-Bauweise - also wie Dachziegel überlappend - konstruiert, besitzen die Langschiffe einen hohen Grad an Festigkeit und Elastizität. Durch die verzweigten Wassersysteme gelangen die Wikinger mit ihren Booten von Haithabu bis nach Russland und das schwarze Meer.

862 rudern die Wikinger das erste Mal den Rhein in kriegerischer Absicht hinauf und gelangen bis Köln, welches sie plündern. Bereits hier sind sie also erstmalig lediglich wenige Kilometer vom damaligen Mülheim entfernt, welches es zu diesem Zeitpunkt jedoch noch gar nicht gibt, sondern lediglich Spuren in Erwähnungen einer Rodung eines Waldes in Heißen (Heissi), einer Kirche in Mintard (Mintyrd) und der Nennung von Menden (Menethina) in einem Verzeichnis der Abtei Werden darauf hindeuten. In den meisten Fällen ziehen sich die Nordmänner nach solchen Raubzügen wieder in heimatnahe Gebiete zurück, doch siedeln sich im Laufe der nächsten Jahrzehnte einige Stämme entlang des Rheindeltas an und fangen an, Handel zu treiben.

Nach der Niederlage von Edington durch König Alfred 878 breiten sie ihre Raubzüge in das Landesinnere des Frankenreichs von der Normandie und Friesland ausgehend aus. Im Januar des Jahres 882 gelangen sie ein zweites mal nach Köln, welches sie zunächst plündern und besetzen, nach Zahlung einer Lösegeldforderung allerdings nicht wieder verlassen, sondern die selbe Zahlung ein zweites mal fordern, was die Kölner aber nicht aufbringen können. Die Stadt wird daraufhin niedergebrannt.

Nach weiteren Raubzügen gelingt es einer Allianz von Franken, Baiern, Schwaben, Thüringer, Sachsen, Friesen und Langobarden unter der Führung von Kaiser Karl dem III das Lager der Wikinger an der Maas zwölf Tage zu belagern und in dieser Zeit Friedensverhandlungen zu führen, die mit dem Ergebnis enden, dass eine beträchtliche Summe Lösegeld bezahlt, Friesland als Lehen übertragen wird und Gottfried sich taufen lässt.

Bereits im Sommer 882 kehrt der Kriegsherr Gottfried jedoch mit neuen Männern aus der Heimat zurück und begibt sich auf einen weiteren Plünderungszug durch das Rheinland, und verwüstet Köln und einige umliegende Ortschaften erneut. Die Erfolge Gottfrieds im Rheinland ermutigten andere dänische und isländische Kriegsherren, sich ebenfalls in Friesland anzusiedeln und von dort aus den Rhein hinaufzufahren, um mit Gottfrieds Einverständnis ausgedehnte Beutezüge zu unternehmen.

Im Herbst des Jahres 883 errichten sie ein befestigtes Lager im heutigen Duisburg und ziehen nun von dort aus durch das Land, um zu rauben und zu plündern. Im selben Jahr ziehen sich die meisten Dänen vom Mittelrhein an den Niederrhein zurück, um dort dauerhaft zu siedeln.

Schloß Broich/ Grabung von 1941Schloß Broich/ Grabung von 1941

Herzog Heinrich ist der Sohn von Poppo, des ältesten bekannten Ahnen der fränkischen Babenberger, die ursprünglich aus dem Grabfeldgau, dem heutigen Grenzbereich Südthüringens und Nordbayerns, kommen. Unter Ludwig III, dem bei der Reichsteilung seines Vaters 865 das größte ostfränkische Teilreich zugewiesen wird, ist Heinrich princeps militiae (Kommandant). Später unter Karl III, dem Dicken, aus dem Adelsgeschlecht der Karolinger und dritter und jüngster Sohn Ludwigs des Deutschen aus dem Geschlecht der Welfen, wird er dessen oberster Feldherr und darf den Titel marchio francorum (Marquis von Franken) tragen. Im Jahr 880 ist Heinrich der Befehlshaber des Heeres, das gegen den elsässischen Herzog Hugo, den Sohn Lothars II, zieht.

Seine wichtigste Aufgabe ist jedoch die Bekämpfung der in das Rheinland einfallenden Normannen. Er ist es, der das spätere Schloß Broich auf einer Anhöhe oberhalb der Ruhr als sogenannte Speerburg errichten lässt, um den Fluss und den Hellweg, eine wichtige Heer- und Durchgangsstraße für den Fernhandel, zu sichern.

Bereits 884 steht Graf Heinrich von Babenburg an der Spitze eines Heeres, um die Wikinger aus Duisburg und dem niederrheinischen Raum zu vertreiben. Die Rückeroberung Duisburgs gelingt, und aus den restlichen Gebieten ziehen sich die Dänen nach Zahlung mehrerer Lösegeldsummen nach Friesland zurück, wo sie allerdings ebenfalls von Heinrich entscheidet besiegt werden. Dies geschieht vor allem durch den Mord von Heinrich an Gottfried, den er bei vorgetäuschten Verhandlungen im Juni 885 erschlägt. Gottfrieds Tod bedeutet gleichzeitig das Ende der Herrschaft der Wikinger in Friesland und für mehrere Jahre auch das Ende der Einfälle der Wikinger ins Rheinland. Graf Heinrich gerät ein Jahr später ebenfalls in einen Hinterhalt bei dem Versuch, die Belagerung von Paris durch die Normannen zu beenden und wird in einer Fallgrube erschlagen.

Schloß Broich 1975Schloß Broich 1975

So betrachtet könnte man der Ansicht verfallen, dass eine kleine Wehranlage an der Ruhr und ein entschlossener Mann letztendlich für die Vertreibung der Wikinger aus dem Frankenreich verantwortlich sind und vielleicht steckt darin ja auch ein Stückchen Wahrheit: Schloss Broich als letzte Verteidigungsanlage vor der Besiedlung heidnischer Nordmänner. Nun denn ...

Schloss Broich verliert nach dem Rückzug der Nordmänner zunehmend an Bedeutung. Die Anlage wird aufgegeben und verfällt im Laufe des nächsten Jahrhunderts, bis die Herren von Broich zusammen mit den Herren von Mülheim und Dümpten erstmals nachweislich erwähnt werden und eine fast 1.000-jährige Geschichte des Schlosses beginnt und noch immer andauert.

Quellen: